Das Dürrenmatt-Fenster
Das Dürrenmatt-Fenster in der Reformierten Kirche Konolfingen
Dass der Dramatiker und Maler Friedrich Dürrenmatt als bekennender Atheist am Ende seines Lebens biblische Motive zeichnete, ist bemerkenswert. Bemerkenswert ist auch, dass aus einer Tusch-Federzeichnung ein lichtdurchflutetes Kirchenfenster wurde. Es geht auf die Initiative von Charlotte Kerr Dürrenmatt, der Witwe des Künstlers, zurück. Im April 2007 kam sie auf die Kirchgemeinde zu mit dem Wunsch, ein Kirchenfenster zu stiften.
Es war viel Überzeugungsarbeit notwendig, dazu viel Kreativität und Fingerspitzengefühl bei der Umsetzung, bis das Fenster am 18. Mai 2008 in der Kirche enthüllt werden konnte. Das Resultat besänftigte die Kritiker weitgehend. Aus der düsteren Grafik war etwas Helles und sogar ansatzweise Farbiges geworden.
Das Fenster erinnert in dürrenmattscher Manier an ein biblisches Thema, das heute eher marginal geworden ist: Das Jüngste Gericht und die Auferstehung der Toten. Dass es von einem Mann stammt, der am Ende seines Lebens sagte: «Ich kann mir keinen Gott vorstellen, und was ich mir nicht vorstellen kann, kann ich nicht glauben», macht es bemerkenswert. Offenbar faszinierte die Vorstellung ihn trotzdem. Und so kann man das Fenster als Symbol dafür sehen, dass wir als Kirche in einer Tradition stehen, die auch Unbegreifliches beinhaltet. Und dass diese Tradition uns Menschen zur Auseinandersetzung mit ihr zwingt, wie kritisch und wie rational wir uns auch verstehen.
Dürrenmatt machte keine «schönen» Bilder. Sie illustrieren das Absurde, vor dem wir zurückschrecken, es uns vorzustellen. Dabei wäre es heilsam und könnte uns davor bewahren, Absurdes wahrzumachen und sehenden Auges hineinzugeraten. Vielleicht ist die Auferstehung der Toten «die schlimmstmögliche Wende, ohne die eine Geschichte nicht zu Ende ist», wie Dürrenmatt es etwa formulierte.
Vielleicht soll das Bild uns eine Warnung sein, dass nicht einmal der Tod uns von unserer Verantwortung für unser Tun und Unterlassen zu Lebzeiten entbindet. Der Ausdruck der gerade Auferstehenden wirkt eher erschrocken als erlöst.
Wie immer man es interpretiert, das Dürrenmatt-Fenster bildet einen Kontrast zu den beiden farbenfrohen und positiv gestimmten Jugendstil-Fenstern von Burkhard Mangold zu seinen Seiten. Und Kontraste bereichern das Leben, sorgen für Tiefe.
Samuel Burger, Pfarrer
Das Wandgemälde über dem Kirchenportal
«Der, den ihr sucht, ist nicht hier»
Das Wandgemälde über dem Kirchenportal von Fritz Ryser (1942)
Über dem Hauptportal der Kirche prangt ein Gemälde, das man oft übersieht, wenn man die Kirche betritt. Meist schaut man dabei nämlich auf seine Füsse. Dabei deutet der Engel auf dem Bild: «Schaut nach oben!» So hat sich der Maler Fritz Ryser die Szene am Ostermorgen vorgestellt, welche die drei synoptischen Evangelien schildern:
Der Stein vor dem Grab Jesu ist weggerollt, darauf sitzt ein Engel in leuchtendem Kleid und sagt zu den Frauen, die kommen, um den Leichnam zu salben: «Fürchtet euch nicht! Ich weiss, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat.» (Matth. 28,5-6)
Fritz Ryser wurde 1910 in Gysenstein geboren, sein Vater war nebenamtlicher Sigrist in Konolfingen. Das künstlerisch begabte Kind wäre gerne Musiker geworden, doch eine Kinderlähmung verunmöglichte das. Er lernte Flach- und Schriftenmaler und konnte sich dann in Basel und Paris zum Kunstmaler ausbilden. Neben einer Anstellung als Lehrer an der Gewerbeschule Basel schuf er in den folgenden Jahrzehnten ein umfangreiches Werk an Landschaftsbildern, Porträts, Stilleben und Wandmalereien (auch das grosse Wandbild im Schulhaus Gysenstein stammt von ihm).
Als er den Auftrag zu diesemWandbild erhielt, stand er am Anfang seiner künstlerischen Laufbahn. In Europa tobte der 2.Weltkrieg, die Zukunft war ungewiss. Ob er das Motiv selbst bestimmte, wissen wir nicht. Aber im November 1942 dankte er dem Kirchgemeinderat, dass er ihm «die Möglichkeit bot, in der jetzigen Zeit des grossen Sterbens, der traurigsten Ereignisse von der Botschaft der Auferstehung und des ewigen Lebens in der mir geschenkten Sprache zu zeugen. Möge dieses Bild viele Davorstehende zu vertiefter, innerer Besinnung und zu neuem hoffendem Leben führen.»
Das Bild über dem Kircheneingang will den Eintretenden sagen: In diesem Haus hören wir Worte der Hoffnung. Wir schauen das Licht des Himmels, nicht das Dunkel des Grabes. Und es ruft uns immer wieder die Kernbotschaft des Christentums in Erinnerung:
Wir glauben ans Leben – trotz Unrecht, Gewalt und Tod.
Samuel Burger, Pfarrer